Ravenna
Heute, am Samstag, habe ich Zeit für einen Tagesausflug nach Ravenna. Ich wusste vorher nicht viel von dieser Stadt, ausser, dass sie bei anspruchsvollen Kunstreisen auf dem Programm steht. Ziemlich unvoreingenommen trete ich also die Reise an, am Abend vorher habe ich mir noch schnell die wichtigsten Fakten aus dem Reiseführer angelesen und mich entschieden, welche Orte ich besuchen möchte; ich konzentriere mich vor allem auf die UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten, von denen es dort gleich mehrere gibt.
Die Hafenstadt wurde im 5. Jahrhundert unter Kaiser Theoderich Hauptstadt Westroms. Aus dieser Zeit stammen die meisten noch gut erhaltenen Sakralbauten mit ihren wunderschönen byzantinisch beeinflussten Mosaiken. Die Kunstwerke sehen aus wie neu, gehören aber zu den ältesten Darstellungen christlicher Kunst überhaupt.
Ravenna selber ist keine besonders schöne Stadt, umso mehr bin ich tief beeindruckt von den prächtigen Mosaiken, die ich im Innern der Kirchen zu sehen bekomme. Ich habe ja schon viel kirchliche Kunst gesehen, aber das hier ist wirklich etwas ganz Besonderes.

Interessant finde ich vor allem, dass hier verschiedene frühchristliche Linien aufeinandertreffen. Das Christentum war ja zu Anfang keineswegs so einheitlich, wie es aus heutiger Sicht scheint. Verschiedene Theologien, Gottesbilder und Christusverständnisse existierten nebeneinander, zeitweise auch in friedlicher Koexistenz, wie das Beispiel Ravenna zeigt.
Am Hof Theoderichs herrschte das arianische Christentum. In dessen Lehre ist Jesus nicht wesensgleich mit Gott, sondern von Gott geschaffen und ihm unterstellt; er wird als Vermittler zwischen Gott und den Menschen gesehen, gilt also ausschliesslich als Mensch. Erst nachdem Kaiser Justinian in Ravenna die Macht übernommen hatte, wurde der katholische Glaube mit seiner Trinitätslehre verbindlich eingeführt.
In Ravenna sind noch heute Spuren des arianischen Glaubens sichtbar. Zum Beispiel die Darstellung der Taufe Jesu im Jordan im „Battisterio degli Ariani“ . Hier trägt Jesus wahrhaft menschliche Züge – am ganzen Körper.
Ähnlich undogmatisch geht es auch auf einem Mosaik in der Kirche San Vitale zu und her: Die Kaiserin Theodora, die einst Tänzerin und Prostituierte gewesen sein soll, eröffnet eine Prozession mit dem Kelch, der für das Messopfer bestimmt ist. Frauenpriestertum? Kein Problem!
Ein besonders schönes Mosaik schmückt das Tonnengewölbe des Mausoleums der Regentin Galla Placidia.
Weil ich erkältet bin, kaufe ich mir ein Halstuch mit diesem Muster. Erst später fällt mir auf, dass es genau zu meinem Rucksack passt.
Das Etikett „Made in China“ entferne ich ziemlich bald.