Weihnachtszeit 2020

Dieser Artikel erschien Ende November 2020 als Editorial auf den Gemeindeseiten der Kirchenzeitung „reformiert.“

Ich würde Ihnen jetzt gerne etwas Schönes und Besinnliches schreiben – von der schönen Adventszeit, der weihnachtlichen Stimmung, von freudigen, geselligen Anlässen und Begegnungen, die wir Ihnen als Kirche bieten, von der weihnachtlichen Freude, die in dieser Zeit unsere Herzen erfüllt. Ich würde gerne erbauliche Worte verwenden, die dazu einladen, diese Zeit ganz bewusst zu geniessen.

Stattdessen sitze ich jetzt hinter meinem Computer und bin ratlos. Was soll ich Ihnen bloss schreiben, jetzt, Ende Oktober? (Der Abgabetermin für die Texte der Gemeindeseite ist jeweils einen Monat im Voraus).

In den letzten Tagen wurden die neuesten Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie vorgestellt. Niemand weiss momentan, was im Dezember gelten wird. Wird die strenge Regelung des Kantons (Versammlungen nur bis 15 Personen) beibehalten? Oder werden Zusammenkünfte bis 50 Personen möglich sein? Oder müssen die Massnahmen gar verschärft werden?

Auf diese Fragen gibt es heute keine Antworten. Wenn Sie diese Zeilen lesen werden, wissen Sie sicher schon mehr. Aber wie soll ich Ihnen jetzt, einen Monat im Voraus, etwas Schönes, Besinnliches schreiben?

Klar ist: Diese Weihnachtszeit wird anders sein als in anderen Jahren. Sie wird von Einschränkungen und Verzichten geprägt sein. Die Geselligkeit, die vielen Zusammenkünfte, das gemeinsame Feiern wird teilweise gar nicht oder nur in eingeschränkter Form möglich sein. Von vielen geplanten Veranstaltungen ist nicht sicher, ob sie tatsächlich stattfinden werden. Mit dieser Situation müssen wir leben, und je eher wir sie als unabänderlich akzeptieren, desto besser werden wir damit umgehen können.  

Wir müssen uns also auf eine Weihnachtszeit einstellen, die anders sein wird als gewohnt.

Doch was können wir tun, wenn viele von unseren liebgewonnenen Traditionen dieses Jahr nicht möglich sein werden? Wie können wir Advent und Weihnachten feiern ohne Samichlausbesuch für die Kinder? Ohne Weihnachtsfeiern in der Firma und im Verein? Kein unbeschwerter Einkaufbummel, kein Adventssingen in vollbesetzten Kirchen, kein Chorkonzert in der Stadtkirche, kein Festessen im Kreise der Grossfamilie… Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass solche Anlässe dieses Jahr nicht wie gewohnt stattfinden werden.

Was also bleibt uns noch von Advent und Weihnachten unter Corona-Bedingungen? Die Antwort lautet: Sehr viel!

Wir Kirchgemeinden geben uns alle erdenkliche Mühe, um Ihnen so viel wie möglich zu bieten. Mit viel Kreativität suchen wir nach anderen Formen, um mit Ihnen Advent und Weihnachten feiern zu können. Wir möchten niemand allein lassen in dieser Zeit, darum suchen wir nach Wegen, wenigstens etwas Geselligkeit und Begegnung zu ermöglichen. Wir sind gerade jetzt für Sie da: Sie können sich bei unseren Pfarrämtern melden und finden ein offenes Ohr.

Und auch Sie selber können vieles tun, um diese Zeit weihnachtlich zu gestalten.

Denn Advent und Weihnachten ist mehr als Weihnachtsfeiern, Konzerte und Festessen. Es sind schöne Traditionen, aber notfalls können wir darauf verzichten, ohne den wahren Sinn von Weihnachten zu beschädigen.

Denn die Botschaft lautet: Gott ist Mensch  geworden und kam auf diese Erde, um unter uns zu leben. Gott kam hinein in die Not der Welt, in einfache und armselige Verhältnisse, um das Schicksal der Menschen zu teilen. Durch das Kind in der Krippe sandte uns Gott die Botschaft: Eine heilvolle Welt voller Frieden ist möglich. Dieses Kind ist schon der Vorbote davon.

In der heiligen Nacht geschah etwas, das wir nur als Wunder und Geheimnis bezeichnen können. Dieses Wunder, dieses Geheimnis kann uns niemand nehmen. Der weihnachtliche Frieden soll in unsere Herzen einziehen – auch und gerade jetzt in diesem besonderen Winter.

Vielleicht sind wir in diesem Jahr gezwungen, uns auf das Wesentliche von Weihnachten zu besinnen, das Fest „abzuspecken“ und zu „entledigen“ von so manchem Ballast, der sich im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hat. Und vielleicht ist das nicht einmal die schlechteste Variante, Weihnachten zu feiern.

Seien Sie also kreativ und flexibel, um Advent und Weihnachten neu zu entdecken. Und: Passen Sie gut auf sich auf, sorgen Sie für Ihr Wohlbefinden, achten Sie auf Ihre Mitmenschen und pflegen Sie herzliche und hilfreiche Kontakte im kleinen Kreis oder am Telefon.

Ich bin sicher: So kann das weihnachtliche Licht auch dieses Jahr in unsere Herzen einkehren.

Jeden Tag Geburtstag

2017-12-15 15.38.52

Ich habe im Dezember Geburtstag. Also mitten in der Adventszeit. In meiner Kindheit gab mein Geburtstag dem Advent noch einmal einen besonderen Glanz, machte die Zeit für mich noch spannender und schöner. Aber es gab auch Nachteile. Geschenke bekam ich nur im Dezember, kurz nacheinander oder auch „zum Geburtstag und zu Weihnachten zusammen“. Wünschte ich mir zu Beginn des Sommers ein neues Fahrrad, musste ich bis in den tiefsten Winter darauf warten. Meine Eltern waren da strikt.

Heute erlebe ich den Advent anders als früher, nämlich als sehr intensive und vor allem auch arbeitsreiche Zeit. Für Pfarrerinnen und Pfarrer ist im Dezember aus wohl bekannten Gründen Hochbetrieb. Auch für Familienmütter und –väter ist die Zeit intensiv. Und da ich beide „Berufsgattungen“ in mir vereine, empfinde ich den Monat Dezember oftmals als besonders anstrengend.

Es war vor einigen Jahren, als ich an meinem Geburtstag besonders im Stress war. Den ganzen Tag war ich am Rotieren, hetzte von einem Termin zum anderen, fand kaum Zeit, um mit meinen Liebsten zusammen zu feiern, die sich trotzdem alle erdenkliche Mühe gaben.

Erst am Abend wurde mir bewusst, wie erschöpft ich war. Und ich dachte: Eigentlich schade, dass ich meinen Geburtstag nicht wirklich geniessen konnte. Und dann beschloss ich, das nachzuholen. Ich nahm mir vor, von jetzt an jeden Tag ein bisschen Geburtstag zu feiern. Ganz für mich alleine, nur ganz kurz, irgendeinen Moment lang innehalten, mir ein paar Minuten Ruhe gönnen, tief durchatmen und einfach den Augenblick geniessen und, ja, auch ein bisschen feiern.

Jeden Tag Geburtstag feiern, das heisst, mir jeden Tag das Geschenk des Lebens bewusst zu machen und dankbar dafür zu sein, dass ich auf der Welt bin. Und sei es auch nur, indem ich im allergrössten Stress in Ruhe eine Tasse Tee trinke.

„Was, sogar im allergrössten Stress???“, fragte mich eine Klientin ungläubig, als ich ihr in der Supervision genau dies erklärte. Ja, sogar im allergrössten Stress und gerade dann. Und wenn diese paar Minuten wirklich nicht aufzubringen sind – ich weiss, es gibt solche Tage – dann ist es zumindest wichtig, sehr aufmerksam mit sich selber umzugehen. Zwischendurch in sich hineinzuspüren mit der Frage: Was brauche ich, was braucht mein Körper, meine Seele, damit ich diesen Tag durchstehe? Damit es mir trotzdem noch gut geht? Auch das kann ein kleines bisschen Geburtstag bedeuten.

Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Geburtstag. Jeden Tag.